Leseprobe des ersten Kapitels von

Unsterblich geliebt

Meine Vampir-Serie "Unsterblich geliebt"

wurde mit einem Zweiteiler eröffnet,

der die Geschichte von John und Lara erzählt:

Teil 1 "Unsterblich geliebt" (wie der Serienname)

Teil 2 "Gefangene aus Liebe"

Ich verweise nochmal ausdrücklich auf das Urheberrecht!

 

Und jetzt viel Vergnügen bei den ersten Seiten von "Unsterblich gebliebt"!


Kapitel 1


Tief in der Nacht entdeckte er sie hoch oben auf der schwarzen Eisenbahnbrücke, die sich in schwindelerregender Höhe elegant über das Tal in der Wildnis spannte. Darunter verlief ein tiefer Fluss, der stromabwärts in einen beeindruckenden Wasserfall überging.

Warum um alles in der Welt hatte er ihre Absichten nicht sofort erkannt? Warum?

Noch wirkte sie im Mondlicht wie eine überirdische Schönheit aus einer anderen Zeit. Er neigte seinen Kopf ein wenig zur Seite. Was trug sie da eigentlich? Diese Art spitzenbesetzter, langer Kleider waren doch zuletzt in der Rokoko-Zeit in Mode. An diese Epoche konnte er sich noch gut erinnern, aber sie stammte nicht aus dieser Zeit.

Das Mondlicht schien ihre Gestalt in dem weißen Kleid auf wundersame Weise zum Leuchten zu bringen und sein Herz schlug schneller.

Er versuchte, das zu ignorieren.

Das war nur ihre helle Haut im Gegensatz zur dunklen Nacht und das Spiel des Lichts mit ihrem Kleid, versuchte er sich selbst zu überzeugen. Ganz gelang es ihm nicht.

Ohne es zuzugeben, hatte er sich immer mehr danach gesehnt, sie wiederzusehen. Warum musste er auch ihre Visitenkarte verlieren?

Schon viele Wochen waren seit ihrer ersten und einzigen Begegnung vergangen. Wärme verschlang langsam seine innere Kälte, während er diese Frau in luftiger Höhe betrachtete. Die üppigen Spitzen am Ende der Ärmel wehten im Wind und der tiefe, spitzenbesetzte Ausschnitt des Kleides betonte ihre wunderschönen Brüste. Weil unter dem voluminösen Rockteil das Unterkleid fehlte, wurde es vom Wind an ihren Körper gepresst und brachte die Konturen ihrer weiblichen Figur umwerfend zum Ausdruck.

Die Rinde des Baums zerbröckelte unter dem fester werdenden Griff seiner Hand. Der Mann in ihm empfand sie mehr als begehrenswert, und das Raubtier in ihm gierte danach, die Distanz zu überwinden und seine Fangzähne tief in ihrem Hals zu versenken. Ein leises, verlangendes Knurren drang aus seiner Kehle.

Gott sei Dank stand er im Mondschatten einer alten Trauerweide. Bei den nächtlichen Lichtverhältnissen und auf diese Entfernung würde ihn die Frau, die beinahe feierlich auf die Mitte der Brücke zustrebte, weder erkennen noch hören. Auf keinen Fall sollte sie bemerken, wie er sie anstarrte, denn das entsprach nicht seinem Charakter. Es wäre ihm peinlich gewesen. Trotzdem würde er ihren Anblick stundenlang genießen können, aber das lag nicht allein an ihrem Äußeren, sondern vor allem an ihrer Gegenwart. Ihre Nähe schien seine Seele zu streicheln, ihm Frieden zu geben.

Seit Monaten zog es ihn an diesen abgelegenen Ort in der fast unberührten Natur, und diese Frau dort oben hatte genau die dieselbe Stelle zu ihrem Lieblingsplatz erwählt.

Sie kam oft hier unten ans Flussufer, seine feine Nase erkannte ihren Geruch. Diesen Duft hätte er mittlerweile unter hundert anderen herausfiltern können. Leider war er ihr nur ein einziges Mal persönlich begegnet, wegen einer merkwürdigen Ohnmacht, die sie bis weit nach Sonnenuntergang hier festgehalten hatte. Aufgrund der unbeleuchteten Pfade kam sie sonst nur tagsüber, während sein Wesen ihn zwang, die Nacht abzuwarten.

Zum Glück waren seine Augen für die Dunkelheit geschaffen und so verlor er sich in ihrem Anblick. Der Wind spielte mit ihren langen, vollen Locken, die dieses seltene Rot hatten, das ins Braun überging. Am Anfang waren es ihre Haare gewesen, die ihn in den Bann gezogen hatten. Sie sahen nicht nur wunderschön aus, sondern besaßen einen fast einzigartigen Farbton – ähnlich nur dem seiner verstorbenen Elisabeth.

Eine Böe blies ihr Haar zur Seite, während sie sich weit über das Geländer beugte, um in den Fluss tief unter ihr zu sehen.

Das bot John einen freien Blick auf ihren nackten, anmutigen Hals.

Sofort breitete sich sein ungestillter Hunger wie ein Buschfeuer in ihm aus.

Die tödlichen Fangzähne drängten mit Gewalt aus dem Kiefer und das sehnsüchtige Knurren wich einem tiefen Grollen. Seine Muskeln spannten sich an, wie bei einem Raubtier kurz vor dem Sprung.

Johns vampirische Natur machte ihm unmissverständlich klar, dass er zum Überleben frisches Blut brauchte. Diesen übermächtigen Instinkt zu kontrollieren, musste er wieder neu lernen. Er ermahnte sich, wieder regelmäßig auf die Jagd zu gehen, andernfalls könnte sein Hunger ihn am Ende in ein mordlüsternes Tier verwandeln. Und die Wächter, zu denen er gehörte, brachten genau solche Vampire zur Strecke. Seit über sechs Jahrhunderten war ihm die Jagd nach Blut erspart geblieben. Seit damals war seine Gefährtin Elisabeth die einzige Quelle für das lebensspendende Blut gewesen. Bis zu diesem tragischen Tag vor über einem Jahr.

Die seltene Symbiose zwischen Mensch und Vampir hatte ihr ewige Jugend geschenkt und dafür gesorgt, dass ihr Organismus wesentlich schneller und größere Mengen Blut produzieren konnte, als gewöhnliche Menschen. Beim Gedanken an Elisabeth wurde sein Herz wie mit Nägeln zusammen gedrückt. Bilder einer glücklichen Vergangenheit drängten an die Oberfläche.

Dem Wind, der auffrischte und ihm scharf in die Augen wehte, gab er die Schuld, dass sich eine Träne aus seinem Auge löste. Dieser tiefe, unsagbare Schmerz, bei dem sich seine Seele zusammenzog und unter Qualen krümmte, breitete sich wieder in seinem Inneren aus.

Nein, nein, nein! Diesen Gefühlen durfte er sich nicht hingeben, es würde ihn zerreißen. Und die Wächter brauchten im Moment jeden einzelnen Mann. Das rief er sich ins Gedächtnis, daran klammerte er sich eisern. Diese Einstellung hielt ihn seit dem Verlust seiner geliebten Frau aufrecht und gab ihm ebenso Kraft, wie das starke Netz der Gemeinschaft der Wächter.

Nur an diesem einsamen, ruhigen Ort gestattete er seiner Seele manchmal zu trauern. Dennoch kam John oft hierher, an das sandige Flussufer, entzündete ein Holzfeuer und blickte im Schein der Flammen auf die majestätische Brücke hoch oben. Sie wurde nur im Sommer von der historischen Dampflokomotive genutzt.

Das weiß sie bestimmt, dachte er, sonst würde sie dort oben nicht mit solcher Unbeschwertheit auf die Brüstung klettern, um sich hinzusetzen.

Gerne hätte John auch mal in einem dieser edlen und liebevoll restaurierten Waggons gesessen. Er hatte sich sogar erkundigt, doch der historische Zug fuhr wegen der herrlichen Aussicht nur tagsüber und war bei Sonnenuntergang längst verschwunden.

Immer noch in ihren reizvollen Anblick und seinen Gedanken versunken, fragte er sich erst jetzt, was sie eigentlich mitten in der Nacht auf dieser einsamen Brücke wollte.

Die schreckliche Erkenntnis riss ihn mit Wucht in die Realität zurück.

Doch es war zu spät.

Sie stand inzwischen auf der Brüstung und sprang in diesem Moment vor seinen Augen in die Tiefe.

 

 

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