Interview mit den Hauptpersonen aus "Unsterblich geliebt"
Stellen Sie sich einmal vor, eine neugierige Reporterin würde die Helden und Bösewichter meines Buches interviewen.- Das könnten Auszüge aus dem Artikel sein, den sie schreiben würde...
Interview mit John:
>Darf ich Ihnen zu Beginn des Interviews etwas zu trinken anbieten?
< Sind Sie sicher, dass Sie mir etwas zu trinken anbieten wollen?
>Äh, nein - so war das nicht gemeint.
Ein Missverständnis, Sie müssen wissen,
das ist mein erstes Interview mit einem Vampir und ich...
< Das sollte ein Scherz sein.
Ich habe meinen Durst bereits gestillt,
schließlich haben Sie mich nicht zum Essen eingeladen,
sondern zu einem Interview.
>Äh, ja genau. Sie nennen sich John Whiteflower,
ist das Ihr richtiger Name?
<In gewisser Weise schon, mein ursprünglicher Titel war
Johannes, Ritter der weißen Lilie.
Aber es wäre über Jahrhunderte ein bisschen aufgefallen,
immer den gleichen Namen zu verwenden,
denken Sie nicht auch? Allerdings bleibe ich immer so nah
wie möglich an meinem ursprünglichen Namen. Ich hasse Lügen
und vermeide sie, wo ich kann. Nennen Sie mich einfach John.
>Das bringt mich gleich zum Thema, wie alt sind Sie genau, John?
< Das behalten Vampire normalerweise für sich.
> Kommen Sie, ein bisschen mehr müssen Sie mir schon verraten!
< Sagen wir einfach, über 700 Jahre.
> Was war das schlimmste Erlebnis, das Ihnen widerfahren ist?
< Das ist ziemlich persönlich, darüber rede ich nicht gern.
> Ich weiß, aber das ist auch ein persönliches Interview,
also wären Sie bitte so freundlich?
<Meine Frau Elisabeth starb vorletztes Jahr. Sie ist tagsüber
losgefahren, um Weihnachtsgeschenke für unsere Freunde
und mich zu kaufen - und ist nie wieder nach Hause gekommen.
Ich dachte erst, sie wäre bei einem Autounfall ertrunken,
aber sie wurde wegen mir in eine Falle gelockt und...
>Ähm, John, könnten Sie bitte mit dem Knurren aufhören?
Die Gläser auf dem Tisch vibrieren bereits.
<Dann knurre ich eben! Aber diese Kerle werde ich
zur Strecke bringen, das schwöre ich!
>Mein Beileid zu Ihrem Verlust.
Wie lange waren Sie denn zusammen?
< Mehr als 600 Jahre.
>Wow! Verzeihen Sie mir die Frage, aber wird es nach
ein paar hundert Jahren mit der gleichen Frau
denn nicht langweilig?
<Nein, das Leben hat uns in Atem gehalten und die Zeit brachte viel
Abwechslung. Wir haben zusammen von der Entdeckung
Amerikas gehört, die Weltausstellung in Paris besucht und
die Eröffnung der ersten Bahnstrecke für Personenverkehr,
die Industrialisierung erlebt und das Computerzeitalter.
>Was gefällt ihnen in unserer modernen Welt
und was vermissen Sie?
<Goretex-Jacken und wasserdichte Schuhe, Handys und
warme Duschen sind Erfindungen, die ich wirklich begrüße.
Allerdings vermisse ich seit dem letzten Jahrhundert
die unberührten Naturlandschaften, einen nächtlichen Galopp
auf einem Hengst, ohne Autobahnen und Zäune.
>Wie steht es mit einer neuen Beziehung?
< Das ist schwer.
600 gemeinsame Jahre wischt man nicht einfach so weg.
> Das verstehe ich, aber haben Sie seit dem denn niemanden mehr getroffen?
< Getroffen? Also neulich nachts, da lag eine Frau am Flussufer,
genau an meiner Lieblingsstelle, wo ich immer mein Feuer mache.
> Ah - ich sehe da ein kleines Lächeln in Ihrem Mundwinkel!
Ich wusste gar nicht, dass Frauen nachts
einfach so in der Natur herumliegen.
< Ich glaube auch nicht, dass sie das vorhatte,
aber irgendwas stimmte ganz und gar nicht mit ihr,
sie war bewusstlos.
>Und Sie haben...?
< Hey, ich bin ein Gentleman! Ich habe sie mit meinem Ledermantel
zugedeckt und ein Feuer entzündet, damit ihr warm wird.
> Und dann - wurde es heißer?
< Naja, als sie aufgewacht ist, hatte sie zuerst Angst vor mir,
aber später...
> Ja? Was später? Ich bin ganz Ohr.
< Sie und ich, ähm also wir - sind uns irgendwie näher gekommen.
> Irgendwie?
< Naja, auf alle Fälle hat sie mir ihre Visitenkarte gegeben,
aber ich habe sie bei einem Kampf in der gleichen Nacht verloren
und unter ihrem Namen konnte ich sie leider nirgends ausfindig
machen.
> Na dann noch viel Glück mit ihrer Unbekannten
und danke für das Interview.
Interview mit Lara:
> Sie sind Schriftstellerin und veröffentlichen unter einem
Pseudonym. Ich habe gehört, ein mysteriöser Stalker ist
dafür der Grund.
< Leider ja. Ich habe meinen bürgerlichen Namen aus allen
Verzeichnissen löschen lassen. Nur Menschen, die ich wirklich
näher kennenlernen möchte, gebe ich meine Visitenkarte
mit dem echten Namen und meiner Adresse.
> Dieser Stalker hat schon mehrere Auftritte von Ihnen gestört.
< Ja und leider wir wissen immer noch nicht seinen Namen.
> Mir ist außerdem zu Ohren gekommen, dass er früher
Scharfschütze beim Militär gewesen sein soll.
< Das ist mir allerdings neu.
> Sie sehen auf einmal so blass aus.
Hier nehmen Sie ein Glas Wasser.
< Danke. Nun ja, vermutlich darf man heutzutage
kaum noch jemandem trauen.
> Trauen Sie denn überhaupt noch irgendeinem Menschen?
Seit dieser Katastrophe leben Sie doch mutterseelenallein in ihrer
Mühle auf dem Land.
Wie formuliere ich Ihre Tragödie am besten,
ohne die ganze Sache auszubreiten?
Zu zweit sind Sie in diesen Tunnel gefahren,
aber nur einer hat ihn wieder lebend verlassen.
< Ja, das stimmt.
Das Feuer und der Rauch hatten uns eingeschlossen.
Das werde ich wohl nie ganz vergessen.
Mein damaliger Freund verbrannte, seine verkohlte Leiche
konnte man nur noch an Hand der Zähne identifizieren.
> Sie sollen seit dem unter Klaustrophobie und
panischen Erstickungsanfällen leiden.
< Solange ich nicht in dunklen, geschlossenen Räumen sein muss
oder unter Stress stehe, hält sich das mittlerweile in Grenzen.
Und was wäre wohl ein Leben ohne Sonnenlicht?
> Es könnte ja auch sein, dass Sie Single sind, weil die Männer
einfach nicht Ihren Ansprüchen genügen? Immerhin sagt man
ihnen nach, dass Sie sich in ihren Büchern, ich zitiere:
die Männer, schön schreiben.
< Das mag sein, aber ist das nicht das Vergnügen und die
Verpflichtung einer Autorin? Wenn ich bei den Maßstäben
des grauen Alltags bliebe, würde wohl keiner meine Bücher
kaufen, denn das haben die Leserinnen ja tagtäglich vor Augen.
Aber wissen sie was?
Neulich nachts ist mir ein Mann begegnet, wie ich ihn mir
nicht schöner hätte schreiben können.
> Ach ja?
< Sie hätten ihn erleben sollen! Ein umwerfender Gentleman,
auch wenn ich das unheimliche Gefühl hatte, uns trennen Welten.
Mit seinem langen Ledermantel sah er zuerst aus wie ein Cowboy,
doch er wäre als Bodyguard oder edler Ritter eine Starbesetzung
für jeden Film gewesen.
> Das klingt ja toll. Läuft da etwa was zwischen Ihnen?
Nicht das ich neugierig wäre!
< Tja, ich habe ihm meine Visitenkarte gegeben und dachte wirklich,
er ruft an. Aber er hat nie etwas von sich hören lassen.
Das Leben ist eben kein Roman.
> Noch eine letzte Frage an Sie:
Es gibt Gerüchte, Sie hätten einen Krebstumor im Gehirn
und keine Therapie würde anschlagen. Ist da was dran?
< Darüber möchte ich nicht sprechen.
> Ihre öffentlichen Termine für die nächsten Monate
haben Sie alle abgesagt. Planen sie irgendetwas?
Oder schreiben Sie was ganz Neues?
< Meine Pläne stehen bereits fest, aber darüber werde ich
vorher nicht reden. Ich würde das Interview jetzt gern beenden.
...