"Appetitanreger"
aus *"Unsterblich geliebt" und **"Gefangene aus Liebe"
Hier dürfen Sie meine "Appetitanreger",
also Kostproben aus späteren Kapiteln
genießen.
*1 - Lecker, es riecht nach Freiblut und Grillfleisch!
*2 - Streitet euch nächstes Mal gefälligst mit Teller und Tassen, wie andere Paare auch!
**3 - Die kleine Alice in der Waffenkammer statt im Wunderland...
Ich verweise nochmal ausdrücklich auf das Urheberrecht!
1- Lecker, es riecht nach Freiblut und Grillfleisch!
John hat Lara das Leben gerettet und sie während ihrer Genesung zu sich nach Hause gebracht. Gerade offenbart ihr John, dass er ein Vampir ist…
John drehte sich langsam um und hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit…
In einer Mischung aus Hysterie und Zorn brach Lara plötzlich in Gelächter aus.
„Du verdammter Lügner! Das hab ich nun wirklich nicht verdient! Was ist das? Ein perfider Spaß? Ein krankes Rollenspiel, das du hier mit mir treibst? Gothic–Lebensstil, falsche Zähne, Kirschsaft, schwarze Klamotten?“
Und dann zerbrach sie in ihrer Wut das leere Glas. Er sah die Scherben zu Boden fallen und dann ihr Blut. Warmes, frisches Blut, voll von Lebensenergie. Ein verlockender, wenn auch kleiner, dunkelroter Strom bahnte sich seinen Weg über die Handfläche und tropfte so nutzlos herunter.
Er musste sich zwingen wegzusehen, begegnete aber direkt ihrem durchdringenden Blick.
„Na das passt ja wunderbar“, schimpfte Lara. „Kriegst du jetzt etwa Hunger und beißt mich?“ Ertappt.
Bleib ruhig, John, tief durchatmen, ermahnte er sich.
Doch nun drang der verführerische Geruch ihres Blutes in seine Nase und seine Fangzähne fuhren voll aus.
Mit beiden Händen griff er hinter sich an die Fensterbank und rang um Beherrschung, denn er durfte sie auf keinen Fall beißen. Das würde die Symbiose zwischen ihnen endgültig besiegeln.
Warum musste Lara mit der blutenden Hand jetzt auch noch auf ihn zu kommen?
„Ist wohl lecker, was?“ Ja!
Die Fensterbänke protestierten unter seinem fester werdenden Griff.
Bleib ruhig, John, erschreck sie nicht, sagte er sich.
Aber im gleichen Moment schlich sich ein leises, hungriges Knurren aus seiner Kehle. Sofort versuchte er das Geräusch zu unterdrücken und stattdessen freundlich zu lächeln.
Unglücklicherweise brachte genau das seine Fangzähne in ihrer vollen Länge zum Vorschein.
Das ganze entwickelte sich gerade zu einem „worst case scenario“ und er zweifelte allmählich an seiner Eignung als Taktiker, suchte dennoch weiter nach behutsamen Worte, aber Lara war schneller.
„So so, John. Falsche Beisserchen hast du also auch. Sehen wirklich echt aus, darf ich mal?“
Ihr Kommentar verschlug ihm endgültig die Sprache.
Beisserchen!? Sie bezeichnete seine rasiermesserscharfen Reißzähne als Beisserchen?! Lara hatte wirklich ein Talent, jede seiner so schön ausgedachten Erklärungen im Keim zu ersticken.
Mittlerweile stand sie direkt vor ihm und ehe er es sich versah, fuhr sie mit ihrem Zeigefinger über die scharfe Spitze seines Fangzahns - und blutete natürlich sofort.
„Au!“
Leider schien Lara selbst das nicht zu stoppen.
„Für diese scharfen Dinger bräuchtest du eigentlich einen Waffenschein, weißt du das?“
Er hätte beinahe darüber gelacht, doch ihre Stimme wurde immer hysterischer und die Situation entwickelte eine Eigendynamik, gegen die er machtlos zu sein schien.
„Ach ja, fast hätte ich‘s vergessen“, sagte sie nun mit gespielter Nachdenklichkeit und legte den Zeigefinger an ihr Kinn. “Ich muss einfach nur die Jalousien öffnen, dann wird dich die Sonne zu Asche verbrennen, oder wir haben dieses alberne Spielchen endlich hinter uns, nicht wahr?“
Kaum ausgesprochen war Lara schon am Ende der Fensterfront und begann an den elektrischen Schaltern der Rollos herumzufummeln.
Ihr Herz raste und ihre Atmung kam ihm viel zu flach vor, deshalb bemühte er sich ruhig zu bleiben und die Situation zu entschärfen. „Lass uns in Ruhe darüber reden. Du willst doch nicht wirklich sehen, wie ich verbrenne, oder?“
„Weißt du, wenn ich so drüber nachdenke: doch ich will!“
Er dachte an die Verbrennung im Turm, die er für sie auf sich genommen hätte. Wenn ein kurzer Beweis alles wäre, was sie bräuchte?
Mit einem Seufzen kapitulierte er und blickte auf seine Uhr - früher Abend, Sommer, also immer noch hell und laut Wetterbericht kaum Wolken am Himmel.– Das würde weh tun!
„Ich hoffe, dir reicht auch ein verbrannter Arm, und sag hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“
„Notiert, du hast mich gewarnt.“
Hektisch fingerte sie am Bedienelement der Jalousien herum.
„Du musst zuerst gleichzeitig die beiden roten Knöpfe drücken, um die Sicherheitsverriegelung aufzuheben. Aber bitte nur ein Fenster und nur einen Spalt breit, okay?“
Mit einem leisen Summen öffnete sich einer der Stahlrollos.
John sah ihr direkt in die Augen, während er seinen linken Unterarm mit eiserner Miene vor das Fenster hielt und den Rest seines Körpers so gut es ging hinter dem dicken Vorhang verbarg.
Fassungslos starrte Lara auf seinen Arm, der natürlich augenblicklich rot wurde, wie bei einem Sonnenbrand, dann sofort dunkel rot. Schmerzen, als würde er seinen Arm direkt ins Feuer halten, trieben ihm Schweißperlen auf die Stirn. Dann stieg Qualm auf und sein Arm färbte sich schwarz. Er musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht laut aufzuschreien.
Den Geruch von verbranntem Fleisch musste doch selbst Lara jetzt riechen.
Ihre Augen waren vor Entsetzen geweitet, während sie den Rollo endlich wieder herunterfahren ließ.
Schmerzen, als würde sein Arm wie eine Fackel brennen, ließen ihn aufstöhnen und in die Hocke sinken. Nur undeutlich bekam er mit, wie Lara geschockt den Kopf schüttelte und mit zitternden Fingern seinen Arm berührte. Ein erstickter Schrei drang aus ihrer Kehle, dann stürmte sie aus dem Schlafzimmer.
„Lara warte! Lauf nicht weg!“
Doch Lara wollte nur noch raus. Kopflos rannte sie von Raum zu Raum, auf der verzweifelten Suche nach dem Ausgang. Alle Räume waren dunkel und ohne jede Sicht nach draußen. Die Klaustrophobie, die sie schon vorhin selbst mit Mühe kaum noch im Zaum halten konnte, schnürte ihre Kehle nun immer weiter zu. Endlich erreichte sie einen kleinen Flur mit einer größeren Tür, die ins Freie führen musste.
Sie riss die Tür auf, doch statt ins erlösende Sonnenlicht zu laufen, hätte sie fast einen Mann und eine Frau samt Tablett umgerannt.
„Oh, ich glaube, wir kommen genau im richtigen Augenblick, Elia“, hörte sie die blonde Frau sagen.
„Stimmt Sarah, hier riecht es lecker nach Grillabend und Freiblut! Bin ich auch eingeladen?“...
2 - Streitet euch nächstes Mal gefälligst mit Teller und Tassen, wie andere Paare auch!
John und Lara befinden sich gerade in einem alten, englischen Teehäuschen inmitten eines Rosengartens. Das einst sehr hübsche Holzdach ist inzwischen völlig morsch. Lara ist wegen ihres Gehirntumors ziemlich verzweifelt. John bietet ihr sein heilendes Vampir-Blut an, doch Lara will sich nicht Hals über Kopf in eine ewige Verbindung mit ihm stürzen, die sich zwangsläufig daraus ergeben würde…
Zwischen ihren Haaren hindurch sah Lara, wie John eine welke Rosenblüte neben sich abpflückte und in seiner Hand drehte.
„Benedikt, unser Geistlicher glaubt, dass Gott unseren Körper ursprünglich für die Ewigkeit geschaffen hat. Wenn du bei mir bleibst und regelmäßig mein Blut trinkst, würdest du nie Falten bekommen und nie alt werden. Alles an deinem Körper wäre im Stande sich ständig zu regenerieren.“
Ihre Hoffnung auf Genesung war schon so viele Male enttäuscht worden, und sie kam einfach nicht gegen die Bitterkeit an, die daraus resultiert war. Außerdem würde sie nicht ein Leben in Finsternis für ihre Heilung eintauschen. Entschlossen wischte sie erneut ihre Tränen weg, stand mit einem Ruck auf und verschränkte die Arme vor ihrer Brust.
John hatte das sicher nicht verdient, aber sie konnte nicht anders, als sich hart zu machen und ihre Worte eiskalt klingen zu lassen.
„Ich bin nicht käuflich, John! Ich bleibe nicht hier und werde deine Gefährtin, nur um mein Leben damit zu retten!“
Lara rechnete mit einer wütenden Antwort von John, oder Empörung, oder irgendetwas in dieser Richtung. Doch stattdessen stand dieser Vampir nur seelenruhig auf und lehnte sich mit dem Rücken an einen Holzpfosten des Pavillons. Wie eine Kampfansage wiederholte sie deshalb herausfordernd:
„Du kannst mich nicht kaufen, John!“
Doch seltsamerweise sah er sie zunächst besorgt an, dann nachdenklich, als erwäge er all seine Optionen. Nach einer kurzen Stille, bekamen seine Augen einen spitzbübischen Ausdruck.
„Weißt du, in früheren Zeiten hätte ich mit dir einen Ausritt über meine Ländereine gemacht und anschließend ein paar gefüllte Schatzkisten vor deinen Augen geöffnet. Ein wirklich verführerischer Anblick für so manche Frau. Goldmünzen, Edelsteine, wertvolle Schmuckstücke, außerdem erlesene Gewürze und Seidenstoffe aus dem Osten. Aber leider sind wir im 21. Jahrhundert. Eine Kiste gefüllt mit farblosen und nüchternen Aktien, Investmentfonds, Besitzurkunden und Bankauszügen sieht doch ziemlich langweilig aus, findest du nicht auch?“
Lara konnte nicht glauben, was John da gerade sagte, doch während er mit nüchterner Stimme sprach schummelte sich ein Grinsen in sein Gesicht. Endlich merkte sie, dass John sie verschaukelte und stieß ein zorniges Stöhnen aus. Ihre Arme lösten die Verschränkung und beide Hände ballten sich zu Fäusten. Beschwichtigend hob er seine Hände.
„Okay, okay, ich könnte einen schicken Jeep neben die langweilige Kiste stellen und die Kontoauszüge in Gold rahmen lassen. Würde dir das besser gefallen?“
Sie wurde stocksauer und musste trotzdem lächeln. Das ärgerte Lara noch mehr, deshalb marschierte sie auf ihn zu und schubste ihn kräftig mit beiden Händen. „Oh, du, du …“
„Reizender, wohlhabender Vampir?“
Seine Stimme klang so unschuldig, dass ihn wirklich nur seine Augen und das breite Grinsen verriet.
„Nein, Mistkerl! Elender Mistkerl!“
Noch einmal schubste sie ihn mit all ihrer Kraft. Sie hörte gerade noch ein unheilvolles Knacken. Der morsche Balken, an den John sich lässig gelehnt hatte, brach komplett durch und die ganze Dachkonstruktion fiel in der gleichen Sekunde mit einem gewaltigen Krachen herunter.
Lara wurde schlagartig schwarz vor Augen.
„Lara! Lara ist alles in Ordnung mit dir?!“
„Ich bin blind und ersticke gleich.“
„Warte - noch einen Moment.“
Sie hörte, dass ein weiterer, schwerer Balken auf dem Boden einschlug. Dann rieselten noch ein paar Holzstückchen herunter.
Endlich entließ John sie aus seiner allzu festen, schützenden Umarmung, in der sie kaum noch Luft bekommen hatte. Ihren Kopf hatte er an seine Brust gepresst und den eigenen darüber gelegt.
„So besser?“
Lara nickte und schaute sich um. Sie standen in Mitten von Holztrümmern. Einige davon waren so schwer, dass sie ihr ohne weiteres den Schädel zertrümmert hätten.
„Danke“, hauchte sie.
„Hast du dich auch wirklich nicht verletzt?“, fragte John besorgt und trat einen Schritt zurück, um sie von oben bis unten zu begutachten.
„Nein, aber nur weil du…“, ein blutiges Rinnsal bahnte sich soeben den Weg von seinem Haaransatz über die Schläfe hinunter. „Du blutest, John. Lass mal sehen.“
Seine Gesichtszüge wirkten verkrampft und die Kiefer waren fest aufeinander gepresst, was sie vermuten ließ, dass er starke Schmerzen hatte. John tastete mit der Hand nach der Verletzung und meinte: „Nur eine Platzwunde, das verheilt gleich wieder, aber irgendwas hat sich tief zwischen meine Schulterblätter gebohrt. Kannst du bitte nachsehen?“
Sie kam nicht mehr dazu.
Ihre Augen weiteten sich und sie wich instinktiv drei Schritte zurück, wo sie stocksteif verharrte.
Zwei Männer waren urplötzlich hinter John aufgetaucht. Ein Hüne von fast zwei Metern und ein anderer mit einem riesigen Rambo-Messer.
Der mit dem Messer musterte sie vom Scheitel bis zur Sohle.
Ein kalter Schauer durchlief ihren Körper und bescherte ihr überall eine Gänsehaut. Der Riese sagte nur: „Um sie kümmern wir uns später. Er ist zuerst dran. Halt ihn fest und gib mir das Messer.“
Zu geschockt, um sofort etwas zu unternehmen, musst sie zusehen, wie der eine John blitzschnell mit eisernem Griff umklammerte. Johns Gesicht verzog vor Schmerz und es schien, als wäre er durch die Verletzung zu geschwächt, um sich zu befreien.
Sie spürte ihr Herz in der Brust hämmern, als das große Messer in der Hand des Hünen aufblitzte. Ohne zu überlegen schnappte sie sich den erstbesten Holzbalken, der zu ihren Füssen lag. Mit voller Wucht schlug sie auf den Kerl ein, der John gefangen hielt, so dass das Holz an seinem Rücken zersplitterte.
Ein leises, aber gefährliches Knurren ertönte und der Kopf des Mannes drehte sich ruckartig zu ihr. Weiße Fangzähne blitzen in der Dunkelheit auf. Sein Gesicht wirkte dabei genauso angsteinflößend, wie sein mörderisches Knurren. Lara rutschte das Herz in die Hose. Mit welchen Kreaturen hatte sie sich da nur angelegt?
Das Messer fand sein Ziel, John stöhnte laut auf und ihr Körper zuckte zeitgleich mit seinem zusammen.
„Hört auf! Lasst ihn in Ruhe!“, schrie sie die beiden an, doch das blutige Messer senkte sich erneut tief in seinen Körper. Ein weiterer Ruck ging durch John, der auch sie wieder taumeln ließ. Völlig außer sich, griff sie nach einem weiteren Holzbalken und stürzte sich wider bessere Vernunft auf den Riesen.
Doch der zwei Meter Muskelmann, fing ihren Balken mit Leichtigkeit ab und ignorierte ihr Vorhaben, ihn wieder aus seiner Hand zu ziehen. Stattdessen hielt er ihr etwas Blutiges hin. Lara stockte der Atem.
Bei genauerem Hinsehen erkannte sie jedoch ein 20 cm langes und schmales Stück Holz, aus dessen Ende ein gigantischer Nagel ragte.
Der Große, mit den rot-braunen Locken, meinte in aller Seelenruhe: „Das Ding steckte ziemlich tief drin. Ich musste zwei Mal schneiden, um es aus herauszubekommen.“
Der Vampir auf den sie zuerst eingeschlagen hatte, ließ John los und kam jetzt auf sie zu. Sie ließ das andere Ende des Balkens los und wich zwei Schritte zurück. Am liebsten hätte sie jetzt eine ganze Armee zwischen ihm und sich gehabt. Der Mann mit den rabenschwarzen Haaren, jagte ihr eine Heidenangst ein, erst Recht, als er sein schwarzes T-Shirt auszog. Die Tätowierung einer riesigen Schlange, die sich von seinem muskulösen Oberkörper bis zu seinem Auge hochwand, wurde auf sichtbar.
Adrenalin schoss durch ihre Adern und bereitete sie auf eine aussichtslose Flucht vor. Doch der unheimliche Vampir, faltete bloß sein T-Shirt klein zusammen und reichte es ihr. „Drück ihm das auf die Wunde.“
Lara spürte, dass ihre Knie sowieso gerade weich wurden. Also ließ sie sich einfach neben John auf die noch erhaltenen Stufen des Pavillons sinken. Er atmete schwer. Seine Verletzung schmerzte wohl nicht weniger, nur weil er ein Vampir war. Beim Anblick der tiefen, klaffenden Wunde wurde ihr übel. Schnell presste den Stoff darauf.
Jetzt wurde sie auch noch von diesem Riesen, der wirkte als wäre er einem Wikingerfilm entsprungen, skeptisch gemustert. Instinktiv rückte sie enger an John heran.
„Du siehst nicht gut aus, brauchst du Hilfe?“
Seine Frage und die feste, aber warme Stimme beruhigte sie etwas. Der Wikinger wirkte dadurch eher wie ein besorgter Bruder.- Naja, ein ziemlich großer, ehrfurchteinflößender Bruder. Zu geschockt von der ganzen Situation, um zu sprechen, schüttelte sie einfach ihren Kopf.
„John, sie zittert wie Espenlaub und ist kreidebleich.“
„Entschuldige, Lara, ich bin ein Idiot. Du weißt ja gar nicht, wer vor dir steht. Darf ich vorstellen, das ist Agnus. Wir kennen uns schon sehr lange. Er ist Alvas Mann und der Anführer aller Wächter.“
Und ausgerechnet ihm hatte sie gerade eins überziehen wollen! Mist!
Andeutungsweise neigte Agnus den Kopf. Dann zeigte er auf Johns Rücken. „Ich denke, das Blut hat den Dreck aus der Wunde gewaschen. Alva ist sehr erschöpft, sie schläft tief und fest. Kommst du allein klar, oder muss ich sie wecken?“
„Geht schon, ich bleib einfach noch eine Minute hier sitzen. Danke für deine schnelle Hilfe, Agnus.“
„Schon gut. Der Lärm hat uns alarmiert. Raven und ich dachten, wir hätten Eindringlinge auf dem Gelände. Zur Sicherheit läuft er gerade das Außengelände ab.“
Vermutlich hatte er deshalb das riesige Messer dabei, dachte Lara.
Der Wikinger war gerade im Begriff zu gehen, schaute aber nochmal über die Schulter zurück und bedachte sie mit einem anerkennenden Blick.
„Du hast Mut, Lara.“ Mit einer erhobenen Augenbraue schaute dieser Agnus nun zu John, der ihre Aktion vorhin wohl nicht mitbekommen hatte: „Ich kenne nicht viele, die Raven und mich mit einer Holzlatte angreifen würden.“
Ein bisschen stolz bemerkte Lara, dass John bei diesen Worten die Kinnlade herunterfiel.
Agnus drehte sich um und schüttelte den Kopf.
„Erst ein verbrannter Arm, dann ein ganzer Teepavillon. Nehmt nächstes Mal gefälligst Teller und Tassen, wenn ihr euch streitet.“
3 - Die kleine Alice in der Waffenkammer statt im Wunderland...
Lara, ihres Zeichens Autorin, konnte sich gemeinsam mit dem Vampir John aus den Händen von Ramón, dem Oberhaupt einer Horde mordlüsternder Blutsauger, befreien. Zu ihrer eigenen Sicherheit wurde sie von John zu den Wächtern gebracht, die für Recht und Ordnung unter dem Vampir-Volk sorgen.
Die kleine, quirlige Alice mit ihrem himbeerblonden Lockenköpfchen ist etwa fünf Jahre alt. Sie soll Lara das Hauptquartier der Wächter zeigen und sie auf diese Art auch etwas ablenken.
Lara ist empört, denn für dieses kleine Mädchen soll eine Waffe bestellt worden sein! Zudem hat sie eine Menge Wut im Bauch, denn die feindlichen Vampire konnten sie trotz aller Gegenwehr einfach so gefangen nehmen. Und über ihren Brieföffner, mit dem sie sich von ihren Fesseln befreien konnte, hatten die anderen auch noch Scherze gemacht! In einer Mischung aus Zorn und Frust verlangte sie nach "der Knarre, die die größten Löcher macht“, um beim nächstes Mal gegen Vampire besser gewappnet zu sein...
Alice ließ Lara keine Zeit zu überlegen.
Das Mädchen lief schon wieder davon, diesmal ohne ihre Hand zu halten und Lara musste sich schon beeilen, um mit ihr Schritt zu halten. Als die Kleine endlich anhielt, waren sie in einer Art Waffenkammer und Lara völlig außer Atem.
Vinzenz stand hinter einer langen Theke und in seinem Rücken erstreckte sich eine riesige, beleuchtete Wand mit Glasschiebetüren, hinter denen sich brav, in Reih und Glied, Schusswaffen und andere Dinge präsentierten, als wären es Designerschuhe im Schaufenster.
Alice stellte sich vor die Theke und straffte ihre Schultern, versuchte ganz erwachsen zu wirken.
„Vinzenz ist meine Waffenbestellung endlich bei dir eingetroffen?“
Doch als er lächelnd nickte, sprudelte sie nur so heraus: „Schnell, schnell! Gib sie mir, gib sie mir!“
Lara blickte Vinz finster an. Lernten die Kinder hier gleich nach dem Laufen das Schießen?
Er hatte ihren missbilligenden Blick sicher registriert, konzentrierte sich jedoch auf Alice und hob eine Augenbraue. „Wie heißt das junge Frau?“
„Bitte, darf ich meine Waffe haben?“ Vinz lächelte von einem Ohr bis zum anderen und machte es noch ein wenig spannender, in dem er zuerst einen ungeöffneten Karton vor sich auf die Theke legte. Ganz sachlich erklärte der offensichtliche Waffenexperte: „Die Reichweite ist enorm, und sie ist so stark, damit pustest du deinen Daddy glatt um.“
„Super! Super!“ Alice hüpfte vor Aufregung und Vinz wollte sie wohl nicht länger auf die Folter spannen. Er holte den Gegenstand ihrer Begierde aus dem Karton und überreichte ihn fast feierlich.
Eine Pistole, die halb so groß war, wie das Mädchen selbst.
„Jetzt musst du sie nur noch laden.“
„Endlich!“ Lara fing laut an zu lachen und Alice rannte sie fast über den Haufen, als sie zum Waschbecken raste, um ihre neue Wasserpistole zu füllen. Kurz darauf fegte Alice zur Tür hinaus und Raven war nicht der einzige Vampir, der kurz darauf klatschnass wurde.
„Du dachtest wirklich, ich gebe ihr eine echte Waffe, oder?“
Lara blickte beschämt zu Boden. „Alles ist hier anders, wirklich alles. Ich weiß einfach nicht mehr was ich glauben soll und welche Regeln und Werte hier gelten. Es ist so, als hätte ich eine andere Welt betreten.“
Vinz grinste und ließ dabei die Spitze seines Fangzahns aufblitzen. „Hast du ja auch.“ Sie seufzte.
„Hey, gib dir selbst ein bisschen Zeit, Lara. Meine Frau hatte auch einen schlechten Start, genau wie du. Ara war mit Susi hochschwanger und Ramón wollte sie an den Meist¬bietenden versteigern. Beinahe hätte sie ihr Baby noch bei mir im Auto zur Welt gebracht, aber sieh sie dir heute an. Sie genießt dieses Leben in vollen Zügen.- Und zu den Werten und Regeln kann ich nur sagen: wo man in einer Gemeinschaft zusammenlebt gibt es immer Regeln, das ist überall so. Unsere Verbote, auch wenn sie manchmal unsere Freiheit einschränken, haben den Sinn uns und andere zu schützen. Was die Werte angeht, die bringst du selbst mit. Ob sie sich bei uns verändern liegt an dir. Außerdem ist das Leben, das Leben.“
„Wie meinst du das?“
„Naja, schau doch mal genau hin: Wir sind zwar Vampire, aber wir lieben unsere Frauen und sie lieben uns. Wir ziehen unsere Kinder groß und versuchen ihnen eine glückliche Zukunft zu schaffen.“
„Kinder großziehen“, murmelte Lara nachdenklich.
„Ja. Unsere Susi ist hier in einer großen Familie aufgewachsen. Ara hatte immer Babysitter. Auf Agnus Schulter hat Susi Bäuerchen gemacht und Quint hat für sie, auf allen vieren, mit ausgefahrenen Fangzähnen, den Löwen gespielt.“
Anscheinend war Vinz der Meinung, ihr erst mal genug zum Nachdenken gegeben zu haben und winkte sie ans Ende der Theke.
Dort lag etwas, das für sie aussah wie ein viel zu dickes, dafür aber zu kurz geratenes Gewehr.
„Die hier macht wirklich große Löcher, Lara. Die Park-Ranger in Kanada schießen damit auf Schwarzbären, falls es nötig wird. Man nennt sie Pumpgun.“
„Wie bei Rambo, was?“
Sein Mundwinkel verzog sich zu einem Grinsen.
„Richtig und das hier ist die Munition dazu.“
„Wow. Diese Patronen sind ja größer als mein
größter Lippenstift!"
„Jep. Große Löcher, große Munition.“
Lara wollte ihm gerade erklären, dass sie in der Trainingshalle einfach nur ausgerastet war, doch Vinzenz packte das Gewehr mit einem Schmunzeln schon wieder weg.
„Dachte ich mir schon. Obwohl - Ara hat neulich eine Maschinenpistole umgehabt, als sie neben deinem Bett gewacht hat. John wollte dich ja nicht allein lassen, als er Ramón erledigt hat.“
„Deine Kaugummi-kauende Frau, das Ex-Model mit den lila Strähnchen – hatte eine Maschinenpistole um?“
Vinz schüttelte lächelnd den Kopf. „Ja, und nebenher hat sie sich die Fingernägel lackiert und mit Glitzersteinchen verschönert.“
Lara versuchte sich das vorzustellen und musste kichern.
„Hey, aber denk dran: wenn du irgendeinen Waffenwunsch hast, einen Taser zum Beispiel...“ Lara hob die Augenbraue und blickte ihn spottend an. „Ach so, stimmt. Das kannst du ja selbst. Naja, egal was du brauchst, ich besorg es dir.- Also, Lara, wie wär’s? Willst du heute noch ein bisschen Dampf ablassen und Schießen üben?“
Sie wehrte mit einer Hand ab.
„Danke, aber für heute reicht’s mir.“
Sie wollte sich gerade von Vinz verabschieden, da überreichte er ihr eine flache, längliche Schachtel.
„Eine kleine Entschuldigung von mir. Für meine sarkastischen Kommentare.“
Skeptisch öffnete Lara den Deckel und war mehr als erstaunt. Sie hätte mit allen gerechnet, nur nicht damit.
„Ein Brieföffner?“
„Naja, wenn du damit am besten arbeiten kannst, warum nicht?“
Er grinste sie frech und bereit an.
„Aber sei vorsichtig, er hat eine Damaszenerklinge, die ich auf beiden Seiten scharf geschliffen habe, damit könntest du…“
„Schon gut, Vinz, ich will es nicht hören, für heute habe ich genug an blutigen Demonstrationen.“